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Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2016: die Autos der Klasse E

Klasse E - Mut zur Andersartigkeit

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1952 Jaguar C-Type

Die bewegte Geschichte dieses Jaguar C-Type ist für seine Gattung und Epoche typisch: Nach der Auslieferung im einst motorsportverrückten Westen der USA wurde er zunächst bei regionalen Rennen eingesetzt, er ging in die nächste Hand über, verunfallte, erhielt ersatzweise ein Kunststoffkleid aus der Werkstatt von Bill Devin, startete derart bei weiteren Wettbewerben. Nach mehreren Besitzerwechseln wurde er irgendwann zerlegt und in einem Schuppen aufbewahrt. 1997 kaufte sein heutige Besitzer das demontierte Fahrzeug, ließ im Zuge einer Vollrestaurierung die korrekte Aluminiumkarosserie reproduzieren und überführte es 2001 in die Schweiz, von wo aus es seitdem an zahlreichen Veranstaltungen teilnahm. So weit, so normal. Höchst exotisch ist indes die Dokumentation des Lebenslaufes: Fast scheint es, als sei jede einzelne Regung dieses C-Type, seiner Besitzer, seiner Fahrer über 60 Jahre lang minutiös rapportiert worden. Was dem rassigen Roadster eine sehr spezielle Persönlichkeit verleiht.

Motor Reihensechszylinder, 3442 ccm Hubraum
Aufbauform Roadster
Karossier Jaguar
Besitzer Christian Jenny (Schweiz)

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1952 Ferrari 225 S Spider

Dieser kleine rote Ferrari mit der übergroßen Startnummer 94 gehört seit 2003, als sein zehnter und aktueller Besitzer José Fernández ihn kaufte, zum Stammrepertoire bedeutender historischer Motorsport-Wettbewerbe - wie zum Beispiel dem „Grand Prix de Monaco Historique“. Der Stadtkurs im mediterranen Fürstentum ist für den Spider mit der Chassisnummer 0154ED ein geschichtlich besonders bedeutsames Terrain. Dekoriert mit der Startnummer 94, feierte er im Jahr 1952 genau hier seinen größten Erfolg: den Sieg beim Großen Preis von Monaco, der in jenem Jahr für Sportwagen anstatt für Formel-1-Monoposti ausgeschrieben war. Am Steuer saß sein Erstbesitzer Graf Vittorio Marzotto, der älteste der vier Rennfahrer-Brüder aus der traditionsreichen Marzotto-Textildynastie. Die Plätze zwei bis fünf belegten vier weitere der insgesamt sieben gestarteten Ferrari 225 S, was die Überlegenheit dieses Modells innerhalb des stark besetzten Teilnehmerfeldes eindrucksvoll vermittelt. Insgesamt entstanden vom 225 S Vignale Spider, dessen Colombo-Zwölfzylinder 210 PS leistet, nur 14 Exemplare.

Motor V-Zwölfzylinder, 2715 ccm Hubraum
Aufbauform Spider
Karossier Vignale
Besitzer José Fernández (Spanien)

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1955 Fiat 8V Zagato

„Mille-Miglia-tauglich“ - seit sich die Gedenkveranstaltung des legendären 1000-Meilen-Rennens vor mehr als 30 Jahren etablierte, sorgt dieses Prädikat für stattliche Aufpreise derart beworbener Automobile. Diese Feststellung soll nicht zu wilden Spekulationen animieren. Sie hilft lediglich, diesen Fiat 8V Zagato mit der Chassisnummer 106 000063 angemessen zu würdigen. Seit sein aktueller Besitzer ihn 1998 erwarb, nahm er die rund 1600 Kilometer von Brescia nach Rom und retour ganze zehn Male unter seine filigranen Speichenräder. Wobei das nur ein Bruchteil der ganzen Geschichte ist. 1955 gewann Elio Zagato höchstpersönlich mit diesem Wagen den „Coupe René Larroque“ in Marseille, 1955 und 1956 bestritt Nummer 106 000063, pilotiert vom berühmten Franco Cortese, die Mille Miglia - und holte bei deren finaler Ausgabe im Jahr 1957 sogar den Sieg in der stark umkämpften Zweiliter-Klasse. Was dem Prädikat „Mille-Miglia-tauglich“ in diesem speziellen Fall eine einzigartige Dimension verleiht.

Motor V-Achtzylinder, 1996 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Zagato
Besitzer Jack Croul (USA)

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1955 Porsche 550 RS

Michael May, Schweizer Ingenieur und Ex-Formel-1-Pilot, ist für manche Entwicklung in der Automobiltechnik bekannt. Eine bezog sich auf Einspritzanlagen für Ferrari und Porsche in den Sechzigern, eine auf das Verwirbelungssystem der Jaguar-HE-Motoren. Die bekannteste betraf die ersten Pkw-Turbolader Europas, die „Turbo-May“ ab 1969 als Zubehör für Ford-Capri- und -20M-Fahrer anbot. Seine Aerodynamik-Experimente mit dem bizarr bestückten Porsche 550 RS kennt hingegen kaum jemand. Dabei gilt May als erster überhaupt, der Praxisversuche mit verstellbarem Spoilerwerk im Rennsport durchführte. Seine so erzielten Rundenzeiten beim Training zum 1000-Kilometer-Rennen 1956 auf dem Nürburgring sorgten jedoch für Proteste der Konkurrenz und folgend für ein Startverbot des extravaganten Flügelstürmers, der 2015 inklusive des exotischen Equipments restauriert wurde. Dass Michael May später als Ferrari-Berater die ersten Spoiler in der Formel 1 initiierte, ist eine andere, thematisch indes ähnliche Geschichte...

Motor Vierzylinder-Boxer, 1498 ccm Hubraum
Aufbauform Roadster
Karossier Wendler
Besitzer Ugo Gussalli Beretta (Italien)

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1957 Maserati 200 SI

Maseratis Initialzündung, dem in Würde gealterten Typ A6 GCS einen modernes Gerät für anspruchsvolle Sportwagenrennen folgen zu lassen, kam direkt vom stärksten Gegner: Der speziell für Privatfahrer konzipierte Ferrari 500 Mondial war Mitte der Fünfzigerjahre das Maß der Dinge - und damit eine Provokation für den Konkurrenten aus Modena, der nicht lange um eine Antwort verlegen war. Sie erfolgte Ende 1955 mit selbstbewusstem Vortrag, und zwar in Form des Maserati 200 S. Dessen eindrucksvolle Motorisierung: ein 190 PS starker Zweiliter-Vierzylinder mit zwei Nockenwellen und Doppelzündung. Mit der Angleichung an die neuen, weithin gültigen Regelwerke der Saison 1957, die Alibi-Zutaten wie etwa Türen, Scheibenwischer, ein Notverdeck und einen winzigen Kofferraum voraussetzten, erfolgte die Umbenennung in 200 SI. Was der Logik folgend für „Sport Internazionale“ steht. Der hier präsentierte Wagen, Chassisnummer 2413, besticht durch seinen Zustand: Er ist völlig unrestauriert.

Motor Reihenvierzylinder, 1994 ccm Hubraum
Aufbauform Spider
Karossier Fantuzzi
Besitzer Egon Zweimüller (Österreich)

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1964 Abarth-Simca 1300 GT Corsa

Wer Abarth sagt, meint kleine Fiat-Modelle mit heißen Herzen. Und vergisst dabei, dass einige erfolgreiche Abarth-Rennwagen auf dem technischen Gerüst eines französischen Fiat-Konkurrenten fußten. Die Rede ist von der Heckmotor-Limousine Simca 1000, die 1961 debütierte. In den folgenden Jahren galt der Abarth-Simca 1300 in der GT-Klasse bis 1,3 Liter Hubraum als praktisch unschlagbar. Carlo Abarths Erfolgsrezept erwies sich dabei als höchst effizient: Die Aluminiumkarosserie war aerodynamisch ausgefeilt, für extreme Drehzahlen und Leistungswerte sorgte der „Bialbero“-Zylinderkopf. Mit 138 PS lief der 1300er fast 240 km/h schnell - rekordverdächtig für diese Hubraum-Kategorie. Wie auch der Preis, der mit 4.103.000 Lire nahe am Ferrari-Niveau rangierte. Der hier präsentierte Abarth-Simca trat 1965/66 erfolgreich in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft an - allein fünfmal auf dem Nürburgring. Später bekam er als einziges Exemplar dieses Typs eine deutsche Straßenzulassung. 2010 erwarb der griechische Sammler Alex Vazeos den 1300 GT Corsa und ließ ihn im Zuge einer Vollrestaurierung in den ursprünglichen Wettbewerbszustand zurückversetzen.

Motor Reihenvierzylinder, 1288 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Sibona-Basano
Besitzer Alex Vazeos (Griechenland)

Die weiteren Klassen

Klasse A - Vorkriegs-Dekadenz
Klasse B - Supercars vor 1945
Klasse C - Haute-Couture-Raritäten
Klasse D - kompakte Sportler
Klasse F - die Autos der Stars
Klasse G - GT von 1950 bis 1975
Klasse H - Designikonen der Siebziger und Achtziger
Klasse I - Rallyefahrzeuge von 1955 bis 1985

Texte: Wolfgang Blaube