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Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2016: die Autos der Klasse B

Klasse B - Supercars vor 1945

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1932 Aston Martin International

Die Frage, wie viele geschlossene Aston Martin auf den sogenannten Le-Mans-Chassis der zweiten Serie karossiert wurden, lässt sich ebenso präzise wie kurz beantworten: ein einziger - nämlich der weiße Saloon mit der Zulassungsnummer LJ 6308. Wie es zu diesem Unikat kam, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Aber es gibt eine überlieferte, durchaus plausibel klingende These: Enrico Bertelli, Bruder des Aston-Martin-Chefingenieurs und Hauskarossier der Marke in jenen Jahren, schuf den Aufbau in Form einer zweitürigen Limousine, um seine Kinder vor dem englischen Dauerregen geschützt in die Schule bringen zu können. Durchaus dokumentiert sind hingegen Details des späteren Lebenswegs dieses bezaubernden Einzelstücks. Etwa erhielt es 1945 einen Dreiliter-Motor von Sunbeam und Lancia-Fahrwerksteile, 1988 wanderte der Vierzylinder eines Rover 2000 unter die lange Motorhaube. Ab 2015 erfuhr der Aston Martin eine Vollrestaurierung, die ihm wieder den verdienten originalgetreuen Zustand bescherte.

Motor Reihenvierzylinder, 1495 ccm Hubraum
Aufbauform Saloon
Karossier Bertelli
Besitzer Sammlung Walter Frey (Schweiz)

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1932 Austro Daimler ADR 6 Bergmeister

Auch wenn der ADR 6 wie ein relativ normaler Luxuswagen anmutet: Er ist nichts anderes als ein im Zivilkleid getarnter Rennwagen. Karl Rabe, zuvor wie auch später wieder Ferdinand Porsches wichtigster Konstrukteur und zeitweise dessen Nachfolger als Austro Daimlers Entwicklungschef, hatte diesem Modell die besten verfügbaren Zutaten mitgegeben. Der Aluminium-Sechszylinder besaß eine obenliegende, per Königswelle angetriebene Nockenwelle. Dank der für die damalige Zeit extrem hohen Verdichtung von 7,3:1 leistete er 120 PS bei 4500 Umdrehungen, was ein Spitzentempo von 160 km/h ermöglichte - sofern eine halbwegs strömungsgünstige Karosserie montiert war. Letztere kam bei diesem ADR 6, wie bei den meisten Wagen des Typs, vom ehemaligen Flugzeugbauer Öffag in Wiener Neustadt und wurde 1933 im Werk leicht modernisiert. Dass der ADR 6 den Beinamen Bergmeister trug, hatte gute Gründe: Mit seinem durchzugsstarken Triebwerk war er geradezu prädestiniert für rasante Aufwärtspassagen in den Österreichischen Alpen.

Motor Reihensechszylinder, 3614 ccm Hubraum
Aufbauform Cabriolet
Karossier Öffag
Besitzer Michael Kaufmann (Österreich)

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1933 Lancia Astura Serie II

Eineinhalb Jahre nach seiner ersten Zulassung erhielt dieser Lancia Astura seine dramatisch geformte Stromlinienkarosserie aus dem Hause Castagna, die zuvor einen Alfa Romeo 8C geziert hatte - ein Umbau, der eine erhebliche Kürzung des Radstandes auf 2,88 Meter bedingte und auf Veranlassung von Benito Mussolinis Sohn Vittorio für Rennzwecke geschah. Wahrscheinlich gleichzeitig erhielt der Wagen anstatt des bisherigen 2,6-Liter-Achtzylindermotors den noch heute verbauten, 82 PS leistenden Dreiliter-V8 der Astura-Serie III, und zwar inklusive einer einzigartigen Umrüstung auf Trockensumpfschmierung. Im August 1935 startete der Wagen beim 24-Stunden-Rennen von Pescara - um nur fünf Wochen später beim Concorso d’Eleganza an der Villa d’Este anzutreten. Zwei sehr gegensätzliche Umstände, die eindrucksvoll belegen, dass sich eine fahrdynamische und eine ästhetische Wettbewerbstauglichkeit keineswegs widersprechen müssen

Motor V-Achtzylinder, 2973 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Castagna
Besitzer Antonius Meijer (Niederlande)

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1937 Bugatti 57 SC Atalante

In mehr als 100 Jahren brachte die Automobilgeschichte kaum ein anderes Modell hervor, das so viel Bewunderung erfahren hat wie Bugattis Typ 57. Dank optionalem Kompressor bis zu 200 PS stark und bis über 210 Stundenkilometer schnell: Derartige Leistungsdaten suchen unter den Traumwagen der Vorkriegsära ihresgleichen. Indes sind es vor allem die flachen, unvergleichlich rasanten Silhouetten aus der Feder des genialen Jean Bugatti, die die Aura mancher Modelle mit der magischen Typnummer ausmachen. Besonders gilt dies für den sagenhaften Atalante. Von den 17 Coupés, die auf dem S-Chassis entstanden, existieren heute noch 14. Benannt wurde das Modell nach einer jagenden Amazone aus der griechischen Mythologie. Dass der Atalante, der sich 2016 an der Villa d’Este die Ehre gab, in Griechenland zuhause ist, ist indes reiner Zufall. Das Werk verließ er 1937 als Typ 57 S, drei Jahre später kehrte er dorthin zurück, um mittels Kompressor auf die rasante SC-Spezifikation umgerüstet zu werden.

Motor Reihensechszylinder (mit Kompressor), 3257 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Bugatti
Besitzer Kriton Lendoudis (Griechenland)

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1944 Alfa Romeo 6C 2500 Sport

Rückblickend mutet es wie ein Wunder an, dass in Mitteleuropa luxuriöse Automobile entstanden, während der Zweite Weltkrieg auf seinem grausamen Höhepunkt tobte. Zumal die meisten Hersteller vollständig auf Rüstungsproduktion umgestellt hatten. So gediehen 1944 drei Alfa-Romeo-6C-2500-Chassis, die zu zwei Coupés und einem Cabriolet komplettiert wurden, und zwar von der Carrozzeria Touring - beziehungsweise „Turinga“, wie das Unternehmen zu jener Zeit offiziell hieß, da die Faschisten unter Mussolini den Gebrauch von Anglizismen verboten hatten. Die Order für diese drei Luxuswagen erfolgte natürlich aus einem neutralen Land, nämlich von Luigi Fallai, dem Alfa-Romeo-Importeur in Stockholm. Wann genau der betörend elegante Aufbau dieses 6C 2500 Sport fertiggestellt wurde, ist strittig - die unsichere Quellenlage ergibt Jahreszahlen zwischen 1944 und 1946. Dokumentiert ist, dass die haselnussbraune Berlinetta 1946 in Schweden ausgeliefert wurde und bis vor wenigen Jahren dort verblieb.

Motor Reihensechszylinder, 2443 ccm Hubraum
Aufbauform Coupé
Karossier Turinga (Touring)
Besitzer Federico Vitto (Italien)

Die weiteren Klassen

Klasse A - Vorkriegs-Dekadenz
Klasse C - Haute-Couture-Raritäten
Klasse D - kompakte Sportler
Klasse E - Mut zur Andersartigkeit
Klasse F - die Autos der Stars
Klasse G - GT von 1950 bis 1975
Klasse H - Designikonen der Siebziger und Achtziger
Klasse I - Rallyefahrzeuge von 1955 bis 1985

Texte: Wolfgang Blaube