Der komplette Artikel aus OLDTIMER MARKT 08/2019 – Teil 3

Im 300-Euro-Yugo nach Serbien

Hochgeladenes Bild

Teil 3: Geldgeschäfte in Subotica

Wenn auch verschwitzt, weil sich Volkers Seitenfenster nicht öffnen lässt und mit ersten Thrombose-Anzeichen, weil die Beinfreiheit der der Holzklasse bei Ryanair gleicht. Aber was soll’s. Wer noch die Tagesschauberichte zu den Jugoslawienkriegen der neunziger Jahre im Gedächtnis hat, der könnte meinen, Serbien sei ein knallhartes Land voller Irrer, die in zerbombten Städten wohnen und von Überfällen auf ihre Nachbarländer leben, aber dem scheint nicht so. Die Autobahn ist in einem besseren Zustand als die A42 zwischen Gelsenkirchen-Heßler und Herne-Wanne, und auch sonst sieht alles freundlich aus. Nur die platte, weitläufige Landschaft ist ungefähr so aufregend wie das Emsland im Spätherbst. Das erste Mal serbischen Boden wollen wir in Subotica unter die Birkenstocks nehmen. Geld umtauschen und Michell Rohmann anrufen. Serbien ist seit sieben Jahren die Wahlheimat des Deutschen, und Rohmann ist im größten Oldtimerclub des Landes engagiert. Leider geht er nicht ran. Schöne Grüße an dieser Stelle nach Palic! Sasa versucht stattdessen vehement in einem Copyshop Geld zu wechseln. „Und die soll ich jetzt kopieren, oder was?“, fragt die schöne Angestellte lakonisch lachend den Exil-Serben. Sie hat halt keine Ahnung, was wir bis hierhin schon durchgemacht haben. Volker sinniert währenddessen darüber, wie man am besten seine Seitenscheibe reparieren könnte, damit er auch mal ein Foto während der Fahrt machen könnte, ohne durch verschmiertes Glas fotografieren zu müssen. Während mögliche Demontageschritte ingeniös umständlich diskutiert werden, kommt Sasa mit einer Dose WD40 aus der Tankstelle zurück und sprüht den gesamten Inhalt in den Fensterschacht. Danach funktioniert das Kurbelfenster wieder wie am ersten Tag und die Dinol-Versiegelung von 1991 hat eine Auffrischung bekommen. Yugos werden immer ohne Demontage etwaiger Teile repariert. Entweder man sprüht irgendwo was rein, haut feste mit dem Radkreuz drauf, oder sitzt den Defekt einfach aus, bis er wieder verschwindet, oder man sich dran gewöhnt hat.

Wir entscheiden uns weiter nach Novi Sad zu rollen, jene Stadt, die in Zastava-Fahrer-Kreisen weltberühmt ist, weil eine alte Jugo-Giebelwerbung (mit J, noch in der jugoslawischen Schreibweise) für den 45 die Jahrzehnte und Kriege überlebt hat. Die Sixtinische Kapelle für all jene, die die kompakte Rüttelplatte aus Kragujevac vergöttern.
Die Einwohner Novi Sads sind tiefenentspannt. Keiner hupt oder schreit, als wir mitten im Berufsverkehr ein Erinnerungsfoto mit unserem treuen Reisegefährt und der legendären Wandinschrift machen und dazu für zwei Grünphasen den Verkehr aufhalten. Für je vierzig Euro die Nacht mieten wir jedem von uns eine Suite im Vier-Sterne-Hotel, damit wir uns mal wieder ausstrecken können, und stürzen uns ins Nachtleben. Eine warme Frühlingsnacht, gut gelaunte Menschen, fliegende Händler verkaufen Tito-Kühlschrankmagneten, eine schöne Innenstadt. Novi Sad ist ein Reisetipp für alle, denen Dubai immer schon zu blutleer war.

zurück | weiter

Teil 1: Balkanroute

Teil 2: Vienna Calling

Teil 3: Geldgeschäfte in Subotica

Teil 4: Sperrgut-Shopping in Belgrad

Teil 5: Stadtrundfahrten zum Selberschieben

Teil 6: Serbische Whistleblower und Selbstgebrannter

Teil 7: Der schnellste Mann Serbiens

Teil 8: Grenzstress in Bosnien

zum Video