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Oldtimer im Klimawandel – Zwischen den Stühlen (2)

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Der Idealfall des Einfamilienhauses mit Solarzellen auf dem Dach, Akkuspeicher im Keller und Wallbox in der Garage ist eben eher die Ausnahme als die Regel. Im achtzehnten Stock in Berlin-Marzahn wird man kaum die Kabeltrommel vom Balkon auf den Parkplatz werfen. Es ist wie so oft: Umwelt- und klimafreundliches Verhalten muss man sich leisten können. So wird der Trend zum E-Auto auch zur sozialen Frage, denn Berufspendler, die teils weite Strecken zurücklegen, weil sie sich eine Mietwohnung in der Stadt nicht mehr leisten können, werden sich mit der Neuanschaffung eines vorerst noch teuren E-Mobils schwertun.

Die ambitionierten Klimaziele, die Bundeskanzlerin Angela Merkel unter dem Eindruck eines Bundesverfassungsgerichts-Urteils jüngst postuliert hat, werden unerreichbar bleiben, wenn die riesige Bestandsflotte nicht in die Lösung einbezogen wird. "Die Frage ist nicht: Elektroauto oder Verbrenner? Die Frage ist: fossil oder nicht?", betont Professor Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der sich in einem offenen Brief an die EU-Kommission gewandt hat, um der aktuellen E-Auto-Strategie, die unter anderem der kommenden Euro-7-Norm zugrunde liegt, schwere Rechenfehler nachzuweisen (siehe Kasten links). Einerseits sei es unrealistisch, die CO2-Emission eines E-Autos beim derzeitigen Strommix mit Null anzunehmen und andererseits davon auszugehen, dass der Ladestrom mit dem weiteren Ausbau von Wind- und Solaranlagen immer sauberer werde. Koch: "Mit zunehmender E-Mobilität wird der Stromverbrauch rasch ansteigen, und dann steht nicht mehr genügend erneuerbare Energie zur Verfügung, sodass der Anteil an fossil erzeugtem Strom zwangsläufig größer werden muss."
Nun könnte man dem Professor eine gewisse Abneigung gegen E-Mobilität unterstellen, schließlich ist Koch Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am KIT. Aber er wendet sich vor allem dagegen, dass die Politik bei ihren Plänen alles auf eine Karte setzt. Wenn künftige Euro-Normen so gestaltet werden, dass die Werte mit Verbrennungsmotoren nicht mehr erreichbar sind, werden synthetisch hergestellte Kraftstoffe systematisch ignoriert und blockiert, obwohl vorhandene Benziner oder Diesel damit ebenfalls CO2-neutral unterwegs sein könnten.

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Diese sogenannten E-Fuels haben den Nachteil, dass zu ihrer Herstellung deutlich mehr elektrische Energie notwendig ist als zum Laden einer Batterie. Mit der gleichen Menge Strom fährt ein Batterieelektrisches Vehikel (BEV) knapp dreimal so weit wie ein Verbrenner mit E-Fuel. Außerdem wäre deren Herstellung in Deutschland wegen des hohen Strompreises nicht nur sehr teuer, sie würde den Einsatz fossiler Energieträger ebenso in die Höhe treiben, wie von Professor Koch vorausberechnet.
In anderen Regionen der Erde sieht die Situation allerdings ganz anders aus. Wüsten eignen sich wegen der starken Sonneneinstrahlung besonders für großflächige Solaranlagen. In windreichen Regionen wie Patagonien, wo Siemens und Porsche derzeit eine E-Fuel-Anlage aufbauen, liefert ein Windrad fast viermal so viel Energie wie hierzulande. Porsche rechnet schon im Jahr 2022 mit einer Produktion von 155.000 Liter; bereits 2026 sollen dort 550 Millionen Liter E-Fuel pro Jahr erzeugt werden. Die Neue Zürcher Zeitung zitiert Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner: "Andere Autokonzerne sind willkommen, sich zu beteiligen." Nicht nur in Patagonien, auch in anderen dünn besiedelten Regionen der Welt gibt es genügend Platz für wirklich große Windparks, während sich in Deutschland zunehmend Widerstand gegen deren weitere Ausbreitung regt.
Zur Herstellung von E-Fuels braucht man neben elektrischer Energie CO2, das der Luft entzogen wird, und Wasser. Letzteres wird per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Aus Wasserstoff und CO2 entsteht dann der neue Kraftstoff, bei dessen Verbrennung das zuvor gebundene CO2 wieder freigesetzt wird – ein geschlossener Kreislauf.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Während sich elektrische Energie per Kabel nicht von Patagonien oder aus der Sahara nach Europa transportieren lässt, ist das mit flüssigen E-Fuels problemlos machbar, da die komplette Infrastruktur bereits vorhanden ist: vom Tankschiff (das ebenfalls mit dem grünen Kraftstoff fahren kann) bis zur Zapfsäule. E-Fuels lassen sich darüber hinaus problemlos auf den jeweiligen Einsatz anpassen: es entsteht wahlweise Benzin, Diesel oder Kerosin. Der synthetische Kraftstoff verbrennt nicht nur deutlich sauberer als das jeweilige Erdölprodukt, er lässt sich auch damit mischen.

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Viele Anlagen, die E-Fuels herstellen könnten, gibt es allerdings noch nicht. Ob es sie in größerem Maßstab geben wird, hängt maßgeblich von politischen Entscheidungen ab. Da synthetische Kraftstoffe in Deutschland bisher keine Zulassung bekommen, um die Wende zur E-Mobilität nicht zu gefährden, zögern große Investoren beim Einstieg ins E-Fuel-Geschäft. Finanzstarke Mineralölkonzerne müssten ein vitales Interesse daran haben, denn nur so haben ihre Tankstellenketten in einer Zukunft der CO2-neutralen Energie noch eine Daseinsberechtigung.
Und der Preis? Der hängt direkt von den Stromkosten ab. In Deutschland schlägt eine Kilowattstunde mit knapp 30 Cent zu Buche, weshalb ein hierzulande hergestellter Liter E-Fuel mehr als zwei Euro kosten würde. Mit großen Solar- oder Windkraftanlagen in Nordafrika, Südamerika oder Australien, wo die Kilowattstunde weniger als ein Cent kostet, wäre ein Preis von rund 80 Cent pro Liter machbar – jeweils zuzüglich Steuern.

»Andere Autokonzerne sind willkommen, sich zu beteiligen.«

Porsche-Vorstand Michael Steiner in der NZZ

Aber wieso haben sich Politik und Automobilhersteller scheinbar alternativlos auf die E-Mobilität eingeschossen? Sicher hat die Industrie durch die Dieselaffäre viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt, weshalb es ihr nun schwerfällt, sich noch für den Selbstzünder zu engagieren. Weite Teile der Bevölkerung halten den Diesel für besonders klimaschädlich, obwohl er dem Benziner in dieser Hinsicht überlegen ist.

Kommende Euro-Abgasnormen sind so angelegt, dass sie mit Verbrennungsmotoren nicht erreichbar sind, weil unterstellt wird, dass sie grundsätzlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. So bleibt den Herstellern nichts anders übrig, als auf E-Mobilität zu setzen. Und weil sie etliche Milliarden investieren müssen, um Produktion und Lieferketten auf E-Autos umzustellen, verlangen sie auf der anderen Seite von der Politik Garantien und Planungssicherheit, dass es sich bei dem eingeschlagenen Kurs nicht um eine Sackgasse handelt. Alternative Technologien kämen da ziemlich ungelegen… Ähnlich ungelegen kommt auch die Ansage, dass wichtige Exportmärkte wie China oder die USA dem Verbrenner weit längere Schonfristen einräumen. China will sich erst 2060 von Benziner und Diesel verabschieden. Die Folge ist ein Eiertanz der deutschen Industrie, die nun auch nicht mehr sicher ist, ob die alleinige Konzentration aufs E-Auto zukunftsträchtig ist – zumal China mit der erklärten Absicht antritt, Autonation Nummer eins zu werden.
Wünschenswert wäre, wenn die Politik in Deutschland und Europa weniger krampfhaft an der E-Mobilität als allein seligmachende Technologie festhalten würde. Alternativen wie E-Fuels, Wasserstoffantrieb und Brennstoffzellen können einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Ein Oldtimer mit 100 Prozent E-Fuel im Tank ist dabei eine Idealvorstellung. Denn er hat den CO2-Rucksack seiner Herstellung längst abgeschüttelt und wäre damit allen anderen Konzepten weit überlegen.

Text Peter Steinfurth
Fotos S. Lindloff, A. Beyer, M. Brüggemann
p.steinfurth@oldtimer-markt.de

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Der vollständige Artikel "Zwischen den Stühlen" erschien in OLDTIMER MARKT 8/2021. Die Ausgabe können Sie hier online bestellen oder hier als E-Paper lesen.

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