Vergaser: Die richtige Mischung

Vergaser: Die richtige Mischung

Vom Vergaser bis zur Motronic war es eigentlich nur ein kleiner Schritt. Es gab in den letzten 110 Jahren lediglich ein paar kleine Detailfragen zu lösen...

"Wenn Sie mit Ihrem rechten Fuß das kleine Pedal herunterdrücken, geben Sie Gas!" Für viele Autofahrer begann der Fahrschulunterricht mit diesem Ammenmärchen. Gas? Wo soll denn unterwegs in einem Auto Gas herkommen - Eben! Gas gab es spätestens seit Erfindung des modernen Vergasers in Automobilen nicht mehr - und den hatte Wilhelm Maybach bereits 1893 vorgestellt.

Die Erfindung war genial, aber sie war kein Vergaser. Maybach hatte in einem taillierten Rohr eine Düse so eingebaut, dass die vorbeiströmende Luft Kraftstofftröpfchen mitreißen musste. Dabei machte er sich den Venturi-Effekt zu Nutze, den der italienische Naturforscher Giovanni Battista Venturi schon viel früher erkannt hatte: Wenn sich ein Rohr an einer Stelle verjüngt, steigt die Geschwindigkeit der hindurch strömenden Luft an dieser Stelle an und der Luftdruck sinkt. Genau genommen handelte es sich also nicht um Gas, das der Vergaser produzierte, sondern um einen fein zerstäubten Kraftstoffnebel, der mit der Ansaugluft in den Motor gelangte (der richtige Begriff für unsere bekannten Gemischfabriken wäre also eigentlich "Vernebler").

So fein wie möglich

Alle folgenden Systeme bis hin zu elektronisch gesteuerten Einspritzanlage arbeiteten nur noch daran, dieses Grundprinzip zu optimieren. Die Aufgabe der Gemischaufbereitung ist klar umrissen: Der Kraftstoff soll so fein wie möglich zerstäubt werden, weil viele kleine Tröpfchen eine größere Oberfläche haben als wenige große. Diese vergrößerte Oberfläche erleichtert Zündung und Verbrennung des Nebels. Wenn der Durchmeser der Vergaserdüse dann auch noch so dimensioniert ist, dass ein optimales Mischungsverhältnis von etwa 14,5 Kilo Luft auf ein Kilo Benzin zustande kommt, gibt es an dieser simplen Konstruktion eigentlich nichts mehr zu verbessern.

Leider gilt dies nur für Stationärmotoren, die immer mit konstanter Drehzahl laufen. Kraftfahrzeuge werden jedoch ständig beschleunigt und abgebremst. Hier liegt der Grund, weshalb das Problem der optimalen Mischung auch über 100 Jahre nach Maybachs genialer Erfindung noch nicht gelöst ist ? es sei denn, wir fahren mit Gas.
Die Entwicklungsgeschichte der Gemischaufbereitung ist denn auch nichts anderes als der ständige Versuch, jenen zerstäubten Nebel an die jeweiligen Bedürfnisse des Motors anzupassen: Beim Beschleunigen braucht er ein fetteres Gemisch, für niedrigeren Verbrauch ein mageres. Bei Volllast hätte er gern eine Extradosis zur Kühlung und im Schiebebetrieb muss es auch noch stimmen, sonst wird er zu heiß.
So wurde im Laufe der Jahre aus dem eigentlich so simplen Vergaser ein Labyrinth von Hohlräumen, Zusatz-, Hilfs- und Korrekturdüsen, Einstellschrauben, Beschleunigerpumpen und Starteinrichtungen.

Genial: Gleichdruck-Vergaser

Einen ganz anderen Weg gingen die Skinner-Brüder in England. Sie konstruierten 1905 einen Vergaser, der die Spritzufuhr an den Luftbedarf des Motors koppelte. Der Unterdruck zwischen Drosselklappe und Motor wirkte über ein Rohr auf einen Kolben, der wiederum den Querschnitt des Ansaugrohrs mehr oder weniger freigab. Am unteren Ende des Kolbens hing eine spitz zulaufende Nadel, die mehr oder weniger Kraftstoff in das Saugrohr strömen ließ. Hört sich kompliziert an? Ist es aber nicht.
Die SU-Vergaser der Skinner Union gehören zu den simpelsten Konstruktionen der Vergasergeschichte. Weil im Saugrohr und über dem Regelkolben immer der gleiche Druck herrscht, heißen sie übrigens Gleichdruckvergaser. Ihr einziger Nachteil besteht darin, dass sie es mit der genauen Zuordnung von Luft und Sprit etwas zu genau nehmen - im Gegensatz zu den konkurrierenden Festdüsenvergasern bieten sie keine zusätzliche Beschleunigungseinrichtungen, die das Gemisch bei Bedarf anfetten können.