Motorrad-Rahmen: Rahmenprogramm

Rahmenprogramm: Doppelrohrrahmen

Ein Motorradrahmen muss eine möglichst stabile Verbindung von Vorder- und Hinterradaufhängung bieten und darüber hinaus das Gewicht von Motor samt aller Nebenaggregate, Kraftstofftank und Fahrer aufnehmen. Die Aufgabe ist also klar definiert, doch trotzdem führen viele Wege zu einer befriedigenden Lösung. Am weitesten verbreitet sind Stahlrohre. Sie sind leicht zu verarbeiten, der Hersteller braucht keine teuren Pressen und kann in der laufenden Serie Veränderungen einfließen lassen.
Da der Motor anfangs genug Schwierigkeiten bereitete, griffen viele Motorradbauer am Ende des 19. Jahrhunderts auf ein bewährtes Fahrgestell zurück: den Fahrradrahmen (siehe auch das oberste Bild in: Eingebauter Rückenwind). Höheres Gewicht und gestiegene Fahrleistungen brachten dieses Konzept rasch an seine Grenzen, Versteifungen in Form einer zusätzlichen Strebe zwischen Lenkkopf und Sattelrohr sowie die Teilung der Unterzüge waren nötig - aus dem fast zweidimensionalen Rahmen der Pioniertage erwuchs ein stabileres, dreidimensionales Gebilde.

Doppelrohrrahmen

Beim Doppelrohrrahmen führen zwei Rahmenschleifen vom Lenkkopf aus nach unten zur Motor- oder weiter zur Hinterradaufhängung. Die direkte Verbindung zwischen Lenkkopf und Sattelknotenpunkt übernehmen ebenfalls zwei parallele Rohre oder ein großzügig dimensioniertes "Rückgrat" (siehe Fotogalerie: BMW R60). Gelötete, geschraubte und genietete Rahmen fanden sich in trauter Eintracht nebeneinander, bis in den dreißiger Jahren die Schweißtechnik ihren Siegeszug antrat. Um Gewicht zu sparen, werden oft konische Rohre verwendet.
Beim Starrrahmen mit ungefedertem Hinterrad führt logischerweise auf jeder Seite eine Rahmenschleife bis zur Achsaufnahme. Die Einführung der Geradwegfederung änderte dieses Erscheinungsbild kaum, man fügte einfach am Rahmenende eine Teleskopführung an.
Erst die gezogene Schwinge brachte eine neue Bauweise mit sich: Die Rahmenschleifen endeten nun unmittelbar hinter dem Getriebe, ein leichtes Heckteil (geschweißt oder geschraubt) brauchte nur noch die Sitzbank und die oberen Federbeinaufnahmen abzustützen. Mit ihrem Doppelschleifenrahmen perfektionierten die Brüder McCandless diese Bauweise. Nicht nur die konsequente Ausbildung mit zwei durchgängigen Rahmenschleifen, sondern auch die Kreuzung von Ober- und Unterrohren direkt hinter dem Lenkkopf brachten überragende Fahreigenschaften.

Nicht nur die Norton-Werksmannschaft, sondern ganze Generationen von Nachwuchsfahrern und Tunern (und auch mancher Großserienhersteller!) schworen auf den "Federbett-Rahmen?", so der vielsagende Spitzname. Die Theorie besagt, dass Rohre nur auf Zug und Druck beansprucht werden sollten, nicht aber auf Biegung. Besonders steif sind also Gitterrohrrahmen in Fachwerkbauweise. Tatsächlich haben insbesondere Scott und Cotton schon in der Frühzeit auf solche Dreiecksverbände gesetzt (und streng genommen fällt auch das allererste Motorrad, die Hildebrand und Wolfmüller von 1894, in diese Kategorie), sie konnten sich jedoch aufgrund der aufwendigen Herstellung in der Großserie nicht durchsetzen.
Der Federbett-Rahmen mit seinen weiten Schwüngen scheint diesen Gesetzmäßigkeiten Hohn zu sprechen, tatsächlich hatten Fahrwerkstechniker aber herausgefunden, dass eine gewisse Nachgiebigkeit in vertikaler Richtung erwünscht ist, um Belastungsspitzen zu verdauen.

Siehe auch: Hohlkörper: Pressblechrahmen, Brückenrahmen, Doppelschleifrahmen, Federbettrahmen, Starrrahmen, Zentralrohrrahmen,