Vor 25 Jahren

Wie aus einer Marketing-Idee von VW der verrückte Harlekin wurde

Hochgeladenes Bild Der Witz des Polo III im Narrenkostüm ist seine unveränderte Alltagstauglichkeit. Viele Exemplare litten aber unter dem Dauereinsatz

Klassen-Clown

Als Volkswagen 1995 die dritte Generation des Polo, Werkscode 6N, auf den Markt brachte, zeichnete er sich durch eine Neuerung aus, die heute kaum mehr einer auf dem Schirm hat: "Mit dem 6N führte Volkswagen Ausstattungspakete ein, die sich frei mit der Motorisierung kombinieren ließen", sagt Bernd Hahn, Vorstandsvorsitzender der Brezelfenstervereinigung und VW-Kenner. "Ich hätte zum Beispiel ein Auto dick ausstatten können mit Klima, Nebelscheinwerfern, elektrischen Fensterhebern und den 60-PS-Motor dazu. So was wäre vorher nie möglich gewesen."

Um die Pakete sinnfällig zu bewerben, wurden sie im Prospekt vier Farben zugeordnet. Dann dachte sich die Werbeabteilung einen Trick aus: Um nämlich zu zeigen, dass man sich seinen Polo bunt mixen konnte, holte sie 20 Viertürer aus der ersten Produktionscharge von 2000 Stück heraus und ließ sie vierfarbig umlackieren.

Hochgeladenes Bild "Diesen Polo gibt es nicht zu kaufen": So stand es in einer der ersten Werbeanzeigen für den neuen Polo in vierfarbbunter Lackierung. Später gab VW dem Kundenwunsch nach: "Sie haben es nicht anders gewollt"

Der Polo Harlekin: Sie haben es nicht anders gewollt

Die bunten Ansichtsexemplare wurden im August 1994 in Wolfsburg zugelassen und dann in die Ausstellungsräume wichtiger VW-Händler verteilt. Der Effekt stellte sich schnell ein – aber anders als erwartet. So mancher Interessent war nämlich weniger an den beworbenen Paketen interessiert als an dem Auto selbst. Und zwar so viele Interessenten, dass in den oberen Etagen des VW-Konzerns das Rechnen begann: Mindestens 1000 Stück mussten verkauft werden, damit sich der Aufwand lohnte. Am Ende wurden es fast vier mal so viele...

Hochgeladenes Bild Die vier offiziellen Farbkombinationen des Polo Harlekin. Zur Unterscheidung dient die Korpusfarbe, die sich an Schwellern, Dach und C-Säule wiederfindet

Akkurater Quatsch – typisch deutsch

Ein US-Blogger schrieb über den Polo Harlekin: "Selbst wenn die Deutschen mal Quatsch machen, machen sie es mit Akkuratesse." Denn die Fertigung der Harlekine basiert auf einem genauen Plan, die Farbzusammenstellung ist keineswegs zufällig. Bereits fertige, einfarbige Polos, wurden vom Band in eine Nebenhalle umgeleitet. Dort wartete eine Abordnung Monteure, die alle Anbauteile abschraubten, sauber sortiert beiseitelegten und neu verteilten. Das geschah aber keineswegs planlos, sondern nach genauer Ordnung, weshalb heute alle gelben Harlekine hinten blaue Türen haben, vorn grüne und rote Kotflügel.

Was soll man sagen? Das Volkswagenwerk ist halt durch und durch deutsch. Insofern ist es beachtlich, dass sie dort überhaupt mal auf die Idee kamen, Quatsch zu machen.

Hochgeladenes Bild Auf der IAA 1995 wurde der Harlekin dann offiziell vorgestellt. Die vier Farben, aus denen er sich zusammensetzt, heißen Flashrot, Ginstergelb, Pistazie und Chagallblau

"Gefälschte erkennt man sofort." sagt Bernd Hahn. Bunt allein genügt nicht. Ein echter Polo Harlekin kommt in einer von vier Farbkombinationen, die nach einem genauen Schema aufgeschlüsselt sind. Wer in die Materie einsteigt, erkennt die Abweichung auf den ersten Blick, und so sticht ein selbstgefärbter Harlekin auf einem Treffen heraus wie – na ja, wie etwas Unpassendes.

Hochgeladenes Bild Mit einer groß angelegten Werbekampagne verloste McDonald's im Herbst 1996 den Polo Harlekin, weshalb viele den bunten Kompakten mit dem Fastfood-Riesen in Verbindung bringen

Der Polo Harlekin in OLDTIMER MARKT

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