Urknall einer Legende

Projekt Porsche 911 turbo

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„Baut mir einen Turbo!“: So in etwa lautet im Sommer 1972 die Botschaft aus dem Büro von Dr.-Ing. Ernst Fuhrmann. Und der frisch gekürte Vorstands-Sprecher des gerade erst in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Stuttgarter Sportwagenherstellers – zugleich Vater des legendären Fuhrmann-Viernockenwellen-Boxers – meint es ernst, als er seine Techniker beauftragt, einen straßentauglichen 911er mit Abgasturbolader auf die Räder zu stellen!

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Jener PS-fördernden Aufladung, auf die Porsche zuvor bereits höchst erfolgreich im Rennsport gesetzt hat: Und zwar bei den gewaltigen Zwölfzylinder-917/10, die die Konkurrenten vor allem in der nordamerikanischen CanAm-Meisterschaft bis dahin förmlich verblasen haben! Spätestens mit dem Auftritt des spektakulären BMW Turbo-Coupés (E25), das anlässlich der anstehenden Sommerolympiade in München vorgestellt wird, sorgt die Turbotechnik auch in Europa für viel Furore – und bei Porsche für Druck. Haben die Münchner mit Unterstützung von Turbo-Pionier Michael May doch parallel dazu einen aufgeladenen 2002 bereits zur Serienreife entwickelt. Was längst kein Geheimnis mehr ist (ausführliche Story in OLDTIMER MARKT 10/2023).

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Nun also Porsche – wo Fachmann Fuhrmann der grundsätzlichen Meinung ist, „Wenn man einen gesunden Motor mit einem Turbolader versieht, treten keinerlei Probleme auf. Abgesehen von der Verzögerung bei Last- oder Drehzahländerungen.“ Das prekäre Turboloch in den Griff zu kriegen, steht insofern oben im Lastenheft, als im Spätherbst ’72 die Arbeiten mit einem aufgeladenen 2,7-Liter-Boxer beginnen. Dass der mit der neuen K-Jetronic-Einspritzung von Bosch kombinierte Turbo-Sechszylinder ein starkes Stück ist, stellt er (mit bereits 250 PS) sowohl auf dem Prüfstand als auch in ersten Tests mit einem 911-Versuchsträger unter Beweis. Diese finden im Frühjahr 1973 statt, wobei das diffizile Ansprechverhalten des Boxers sowie deutliche Defizite im Fahrwerksbereich sich noch als wesentliche Schwächen des gleichwohl bereits überzeugenden Turbo-Konzepts entpuppen.

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Behoben sind diese und andere Probleme längst noch nicht, als im September 1973 die IAA ins Haus steht. Kein Grund jedoch für Porsche, das Projekt länger geheim zu halten. Denn als zuversichtlicher Vorbote dessen, was die Kunden von einem 911 Turbo erwarten können (der das Typkürzel 930 erst 1974 erhält), taugen die gewonnenen Erkenntnisse allemal!

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Auf der IAA steht deshalb ein zwar nicht fahrfähiger, aber allemal faszinierend-silberfarbener 911er-Prototyp mit markantem turbo-Schriftzug: Dessen äußere DNA (Kotflügel, Aluräder, Front- und Heckschürze sowie Heckspoiler) stammt zwar eindeutig von jenem kommenden Carrera RSR 3.0, der für die IROC-Rennserie in den USA vorbereitet ist. Unter der Haube ist jedoch ein 2,7-Liter-Turbotriebwerk verbaut, wie es – Stand damals – geplant in Serie gehen soll.

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EPILOG Der IAA-Prototyp geht nach eineinhalb Jahren Welttournee zurück nach Zuffenhausen, wo er für einen australischen Rennfahrer zu einem rennbereiten RSR umgerüstet wird. Bis 2007 wechselt der 911er mehrmals die Besitzer, bevor er in die USA verkauft wird – und 2013 beim heutigen Eigentümer landet. Dieser hat schließlich die Idee, den Turbo anlässlich des Jubiläums wieder in jenen Auslieferungszustand zu bringen und der Öffentlichkeit zu präsentieren wie 50 Jahre zuvor auf der Frankfurter IAA!

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Hierzulande zu sehen ist die Rarität ab dem 17. September 2023 (bis April 2024) im Museum Traumwerk Hans-Peter Porsche im oberbayerischen Anger-Aufham; anschließend geht der tolle Turbo auf eine zweijährige Tour nach Italien, Kalifornien, Florida, New York, Goodwood und Australien.

Hans-Peter Porsche Traumwerk

Zum Traumwerk 1
83454 Anger-Aufham