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Der ganz und gar andere Volvo

Internationaler hätte die Karriere des ersten Großserien-Coupés von Volvo kaum beginnen können: Entworfen vom schwedischen Nachwuchsdesigner Pelle Petterson in den italienischen Designateliers von Pietro Frua, mit in Schottland von Pressed Steel gefertigter Karosserie, schwedischer Technik und anschließend in England montiert, erstmals präsentiert 1960 auf dem Brüsseler Weltausstellungsgelände, verkauft vor allem in Nordamerika. Alles sah nach einem Traumstart für den bis dahin schnellsten Volvo aus. Wäre nicht die Qualität der beim britischen Sportwagenspezialisten Jensen montierten Fahrzeuge so unbefriedigend gewesen, dass schon die ersten 250 Autos vor Auslieferung zur Nachbesserung nach Göteborg transportiert werden mussten. Schließlich schickte Volvo sogar Ingenieure zur Qualitätssicherung nach Großbritannien. Wirklich gelöst wurde das Problem aber erst, als die Produktion des Volvo P 1800 vor 50 Jahren ins schwedische Volvo Werk Lundby umzog.

"S" wie stärker, schneller und sicherer

Auch wenn der Codebuchstabe „S" ursprünglich nur schwedische Qualität indizieren sollte, kennzeichnete er den Volvo 1800 S doch zugleich als Faceliftversion des vorhergehenden Volvo P1800. Technische Basis für das 2+2-sitzige Sportcoupé blieb die solide Volvo Amazon P120 Limousine mit dem bewährten 1,8-Liter-Vierzylinder B18B, der jetzt 96 PS freisetzte. Die Höchstgeschwindigkeit stieg so von 170 auf 175 km/h und den Sprint von 0 auf 100 km/h absolvierte der Volvo 1800 S in nur noch 12,1 Sekunden - souveräne Werte, die damals allein Sportwagen und besonders leistungsstarke Limousinen erzielten.

Als erstes Sportcoupé verfügte der schnelle Volvo serienmäßig über Sicherheitsgurte für alle vier Passagiere, deren Stabilität Volvo Deutschland in einer spektakulären Show über dem Hamburger Hafen demonstrierte. Der populäre Stuntman Armin Dahl setzte sich in einen Volvo 1800 S, der anschließend über dem Hafen schwebte, gehalten allein von Volvo Dreipunkt-Sicherheitsgurten. Auch beim Thema Ladungssicherung leisteten die innovationsfreudigen Volvo Ingenieure damals Pionierarbeit. So erhielt der Volvo 1800 S mehrere integrierte Ledergurte für das großzügig dimensionierte Gepäckabteil. Fahrer- und Beifahrersitz waren nun mit zusätzlicher Rückenstütze, mehr Seitenhalt und in feinstem Connolly-Leder erhältlich.

Langstreckenläufer und Meilen Millionäre

In den USA galt der schwedische Gran Turismo für viele Medien als Vernunftkauf - im Unterschied zu italienischen Supersportlern. Begründet haben diesen Ruf Einsätze des Volvo 1800 S als offizielles Fahrzeug bei den 24 Stunden von Sebring, der zweite Platz bei den 24 Stunden von Daytona 1966 sowie die Begeisterung enthusiastischer Kunden. Allen voran der US-Amerikaner Irv Gordon, jener Mann, der mehr Zeit hinter dem Lenkrad seines Volvo 1800 S verbracht hat als sonst irgendjemand auf der Welt. Der ehemalige Lehrer kaufte 1966 seinen roten Volvo 1800 S und will noch in diesem Jahr die Drei-Millionen-Meilen-Marke (4.827.000 Kilometer) durchbrechen. Im „Guinness Book of Records" landete er schon 1998 - mit damals mehr als 2,7 Millionen gefahrenen Kilometern und immer noch mit Original-Motor und Getriebe.

Automobiler Filmstar im Dienste seiner Majestät

Prominenteste Botschafter für den Volvo 1800 S waren der spätere James-Bond-Darsteller Roger Moore und der angehende schwedische König Carl XVI Gustaf, der im Alter von 18 Jahren als erstes eigenes Auto einen Volvo 1800 S fuhr. Dies mit solcher Leidenschaft, dass im Laufe der Jahre regelmäßig weitere Volvo 1800 S und 1800 E an den schwedischen Hof geliefert wurden. Auch Roger Moore begeisterte sich privat für den schwedischen Sportwagen - nachdem er in der Fernsehserie „Simon Templar" mit dem Volvo 1800 S als smarter Privatdetektiv Ganoven jagte.

Kleine Kosmetik und schicke Konzepte für ein langes Produktleben

Regelmäßige kleine Auffrischungen genügten, um den Volvo 1800 S zu einem fast zeitlosen Longseller zu machen. Dazu zählte 1964 ein geglättetes Stoßstangendesign, regelmäßig veränderte Kühlergrills, die Einführung des B20B-Zweiliter-Motors mit 105 PS ab 1968 und die elektronische D-Jetronic-Benzineinspritzung von Bosch im Folgejahr.

Das Coupé mit Happy-End

Anfang der 1970er Jahre präsentiert Volvo eine sensationelle Weiterentwicklung: Den Volvo 1800 ES mit Kombiheck. Der legendäre 2+2-Sitzer mit großer gläserner Heckklappe wurde in Deutschland unter dem Namen „Schneewittchensarg" berühmt. Bis zum endgültigen Produktionsende im Jahr 1973 wurden 47.855 Einheiten der schönen Schweden gebaut, davon allein 39.777 als Coupé.