Kommentar

Motorrad-Fahrverbote – jetzt blecht der Bürger

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Die Entschließung des Bundesrats zum Thema Motorradlärm brauchte nur ein Wochenende, um im Bewusstsein der rund 4,5 Millionen deutschen Motorradfahrer anzukommen. Freitags verabschiedet, hatte schon am folgenden Montag ein Essener Biker eine Online-Petition gestartet, die binnen weniger Tage rund 130.000 Unterstützer fand und sich gegen den kritischsten Punkt der Bundesratsentschließung richtete: Sonn- und Feiertagsfahrverbote für Motorräder! Und selbst im Online-Portal des nicht gerade auto- und motorradfreundlichen Spiegel fand sich wenig später ein flammendes Plädoyer gegen den Bundesratsbeschluss.

Dessen Entstehungsgeschichte ist ein Paradebeispiel für die Eigendynamik politischer Prozesse. Denn die Initialzündung kam nicht etwa von Bündnis 90/Die Grünen, sondern von der nordrhein-westfälischen CDU. Die hatte am 10. März einen Antrag "zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm" in den Bundesrat eingebracht, der drei Punkte umfasste: erstens strengere EU-Geräuschgrenzwerte von maximal 80 dB (A) in allen Fahrzuständen, zweitens Verschärfung der Strafen bei Manipulationen bis hin zur Beschlagnahme manipulierter Fahrzeuge vor Ort, und drittens Unterstützung von Initiativen gegen Motorradlärm wie Silent Rider, einem Zusammenschluss von fünf Eifeler Gemeinden im Umfeld des Nürburgrings. Im Namen der NRW-Landesregierung bat Unterzeichner Armin Laschet um Aufnahme seines Antrags und Weiterreichung in die entsprechenden Gremien, unter anderem den Verkehrsausschuss des Bundesrates.

Dem sitzt eine Bremer Grüne vor sowie als ständiges Mitglied Winfred Hermann, grüner Verkehrsminister Baden-Württembergs. Der hat sich das Thema bereits seit Jahren auf seine Banner geschrieben und weiß 80 Kommunen und Landkreise im Ländle hinter sich, die sich zur Initiative Motorradlärm zusammengeschlossen haben. Die Vermutung liegt nahe, dass es Hermann war, der den NRW-Antrag auf jenes Zehn-Punkte-Papier ausbohrte, das in der Plenarsitzung am 15. Mai verabschiedet und als Entschließung an die Bundesregierung weitergereicht wurde. Das enthält neben dem Aufreger Sonn- und Feiertagsfahrverbote noch weitere brisante Punkte. Etwa die kaum verhohlene Forderung nach einem vorderen Kennzeichen für Motorräder, um "Raser" und "Belästiger" zur Verantwortung ziehen zu können, die aufgrund der Helmpflicht und mangels Frontkennzeichen bislang angeblich nicht belangt werden können. Auch soll die Bundesregierung prüfen, ob es verfassungskonform ist, dass dem Halter alle Strafen aufgebrummt werden können, sofern der Fahrer nicht feststellbar ist, was einer Aushebelung des Schuldprinzips gleichkommt. Ferner soll in solchen Fällen sofort die Führung eines Fahrtenbuchs verhängt werden können.

Starker Tobak, der die Frage aufwirft, ob Laschets CDU im Zuge des Prozesses die Kontrolle über den eigenen Antrag verloren hat.

Starker Tobak, der die Frage aufwirft, ob Laschets CDU im Zuge des Prozesses die Kontrolle über den eigenen Antrag verloren hat (was vorher absehbar gewesen wäre) oder genau das Ergebnis wollte, aber ohne namentlich dafür geradezustehen. Fakt ist, dass die NRW-Initiative Silent Rider wenige Tage nach Bekanntwerden der Entschließung verlauten ließ, Fahrverbote seien niemals Teil ihrer Forderungen gewesen und vernünftige Motorradfahrer in ihren Gemeinden jederzeit willkommen. In der Pressemeldung des NRW-Verkehrsministers Hendrik Wüst zur Entschließung wurden Fahrverbote und Frontkennzeichen wohlweißlich erst gar nicht erwähnt.

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BW-Verkehrsminister Winfried Hermann hingegen feiert die Entschließung erwartungsgemäß. Und verschweigt dabei noch viel Wichtigeres: dass nämlich der Bundesrat den Bürger für die Versäumnisse der Politik in Haft nehmen will. So hätte die Politik schon längst Gesetze beschließen können, um die Brüllrohr-Fraktion mit den ausgeräumten Schalldämpfern zur Räson zu bringen. Mit einigen wenigen Kontrollen zu Saisonbeginn an beliebten Strecken hätten sich diese Gesetze nachhaltig durchsetzen lassen, wie das Beispiel Schweiz zeigt.

Bei Kontrollen machtlos sind die Beamten freilich, wenn Maschinen nicht manipuliert wurden, sondern ab Werk und ganz legal mit einem Klappenauspuff herumfahren, der oberhalb des überprüften Fahrzyklus' von der Motorsteuerung auf Durchzug gestellt wird. Der Autor dieser Zeilen, selbst ein Freund guten Klangs und oft auf einer älteren Boxer-BMW mit (legalem!) Sportauspuff unterwegs, war erst erschüttert und dann peinlich berührt, als er vor fünf Jahren ein damals aktuelles Boxermodell fuhr, das trompetete wie ein brünftiger Hirsch und bei normalem Landstraßentempo gefühlt doppelt so laut war wie seine 35 Jahre alte "Gummikuh". Die Auswüchse sind so extrem, dass regelmäßig Teilnehmer an Motorrad-Renntrainings der Strecke verwiesen werden, weil ihre absolut serienmäßigen Motorräder die Geräuschgrenzwerte etwa des Hockenheimrings (dort 95 dB (A)) überschreiten!

Die sinnvolle Lösung, Fahrern und Herstellern ein wenig wohl dosierten Sound zuzugestehen und sie im Gegenzug zu dessen Einhaltung in allen Fahrzuständen zu verpflichten, scheint politisch nicht durchsetzbar zu sein.

Womit wir beim Punkt sind: Bis heute haben es die politischen Akteure in Berlin und Brüssel bei der Festlegung der EU-Zulassungsnormen nicht geschafft, ein explizites Verbot von Klappenauspuffanlagen auszusprechen – ein Problem, das nebenbei bemerkt zahlreiche Pkw-Modelle ebenfalls betrifft. Seit Jahren führen die Motorradhersteller den Gesetzgeber mit unverhohlenen Tricksereien vor. Der wiederum reagiert mit immer abstruseren Grenzwerten von derzeit 77 dB (A) Fahrgeräusch, was in etwa der so genannten Zimmerlautstärke entspricht. Die sinnvolle Lösung, Fahrern und Herstellern ein wenig wohl dosierten Sound zuzugestehen und sie im Gegenzug zu dessen Einhaltung in allen Fahrzuständen zu verpflichten, scheint politisch nicht durchsetzbar zu sein.

Weswegen Hermann und Co. das Thema nun auf dem Rücken der Bürger austragen wollen. Motto: Die Steuereinnahmen aus Verkauf und Betrieb dieser Motorräder haben wir gern genommen, aber jetzt sorgen wir dafür, dass Ihr nicht mehr fahren dürft. Eine Kollektivstrafe kann Hermann in seinem Vorgehen übrigens nicht erkennen. Ach stimmt, E-Motorräder sollen von den Verboten ausgenommen werden...

Dirk Ramackers