Razzia bei Mercedes-Spezialist

Fälschungen mit System?

Eine Sackgasse im Gewerbegebiet des Örtchens Heimerdingen, einem Stadtteil von Ditzingen im Landkreis Ludwigsburg. Es ist der 31. Mai 2023 gegen 9 Uhr morgens. Eine Kolonne unauffälliger Mercedes C-Klassen und Vitos mit nichtssagendem Stuttgarter Kennzeichen stoppt vor einem leicht ergrauten Autohaus im spröden Stil der achtziger Jahre. Menschen steigen aus und betreten das Autohaus, das eigentlich viel mehr ist als das: Es ist die Firma Kienle Automobiltechnik, einer der renommiertesten Spezialisten für klassische Mercedes-Benz der besonders als Experte für 300 SL Weltruhm genießt. Und die Menschen sind keine Kunden, es sind Mitarbeiter des Landeskriminalamts Baden-Württemberg.

Sie haben vom BKA-Informationen erhalten, dass Kienle einen betrügerischen Handel mit Oldtimern betreibe. „Der Verdacht lag nahe, dass diese Firma von lange nicht gehandelten Oldtimern professionelle Dubletten fertigte und verkaufte. Das LKA BW übernahm in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart das Verfahren“, heißt es in der offiziellen Mitteilung der Ermittlungsbehörde.

Ein konkreter Fall brachte den Stein ins Rollen: Vor kurzem kam ein 300 SL Roadster aus der Schweiz nach Deutschland. Das Auto war 1961 in die Schweiz geliefert worden und hatte zunächst als Ausstellungsstück auf dem Genfer Automobilsalon gedient. Im Jahre 1962 kaufte ein Geschäftsmann aus Zürich den Wagen in der seltenen Farbe „Phantasiegelb“ und ließ ihn rot umlackieren.

Später war der Wagen 50 Jahre abgemeldet und tauchte dementsprechend vermutlich nie in der Öffentlichkeit auf. Als der Wagen dann nach langer Zeit zurück nach Deutschland kam und hier angemeldet werden sollte, stellte sich auf der Zulassungsstelle im Rahmen der routinemäßigen Abfrage heraus, dass bereits ein Wagen mit der Fahrgestellnummer zugelassen war. Der Recherchen ergaben, dass dieses Auto 2019 von Kienle Automobiltechnik angeboten worden war – in der ursprünglichen Farbe Phantasiegelb. Da es sich beim roten Heimkehrer aus der Schweiz nachweislich um das Original handelt, steht fest, dass der gelbe Wagen nur eine Fälschung sein kann.

Das LKA durchsuchte nicht nur die Firmensitze der Firma Kienle, sondern auch die Privatwohnungen der Inhaber. Der Geschäftsführer ist laut ihrer eigenen Internetseite Klaus Kienle, der den Betrieb 1984 gegründet hat, als Geschäftsleiter fungieren seine Söhne Alexander und Marc. Bei der Durchsuchung konnte umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden. Die Auswertung dauert noch an. Die Ermittlungen werden fortgeführt. Unbestätigten Angaben zufolge standen in den Werkstätten auch zwei 300 SL mit derselben Fahrgestellnummer, sowie unnummerierte Exemplare, beziehungsweise nummernlose Rahmen.

Potenziell Geschädigte können sich an das Landeskriminalamt-Baden Württemberg wenden.