Creme 21 tourt durch den Harz und durch Niedersachsen

Es gilt die Unfugsvermutung

Zugegeben, der Nachrichtenwert ist nicht so richtig hoch, wenn die Creme 21 durchs deutsche Hinterland tourt. Es gehört schließlich zum besonderen Charme der Rallye, dass sie sich seit 2002 nicht groß verändert hat. Das Konzept passt immer noch auf einen Bierdeckel: maximale Vielfalt im Starterfeld, lange Fahrtage mit den schönsten Strecken der Region, völlig abgedrehte Spiele auf irgendwelchen Waldparkplätzen und Verzicht auf alle Eitelkeiten. Ja, okay, schreibunte Kunstfaser-Klamotten aus den Siebzigern dürfen natürlich sein. Und das alles passt so gut zusammen, dass vermutlich auch die nächste Creme 21 wieder innerhalb weniger Stunden ausgebucht ist.

Hochgeladenes Bild Der Reliant Robin erlangte unter anderem durch Top Gear eine größere Bekanntheit bei uns

Das Starterfeld ist dieses Jahr so bunt wie nie: Auf keiner anderen Oldtimer-Rallye begegnen sich Wolga M24, Reliant Robin, der mittelschwere Volvo-Lastwagen FL7, Mercedes 500 TE (ja, das Nordstadt-Original), Maserati 3200 GT und Renault Safrane V6. Die Diskussion, ob die beiden letzteren schon echte Klassiker sind, nimmt den Krümpelpickern übrigens das Publikum am Streckenrand ab: Die winken ihnen allen zu – und die Kinder irgendwo am Straßenrand in Sachsen-Anhalt fordern im Chor „Gas geben, Gas geben!“, bis der letzte hinterm Ortsausgangsschild verschwunden ist.

Hochgeladenes Bild Seltenes Bild auf dem Sachsenring: Statt 200PS Motorrädern jagt zur Creme 21 ein Volvo Nutzfahrzeug einen Nissan

Die Liebe zum Auto lebt in der Provinz. Und Creme 21 liebt die Provinz, wie auch die diesjährige Auflage zeigt. Streckenchef Martin Vorwahl schätzt nicht nur lange Waldetappen, Serpentinen und Alleen, sondern auch den Reiz der jungen Baudenkmäler, weshalb speziell die Route durch den Harz gespickt ist mit monumentalen Wandbildern aus der DDR-Vergangenheit, stimmungsvoll verfallenden Ferienheimen, Jugendstilhotels mit hinreißend patinösen Fassaden und Provinzbahnhöfen, deren unrestaurierter Originalzustand dem Architektur-Liebhaber den Atem raubt. Kleiner Tipp am Rande: Wer jemals nach Gunsleben in Sachsen-Anhalt kommt, muss sich den dortigen Bahnhof aus den 1880er Jahren ansehen. Es sieht aus, als hätte der Vorsteher ums Jahr 1925 herum nur mal kurz Pause gemacht.

Hochgeladenes Bild Verlassene Gewerbebauten präsentieren zur Creme 21 ihren Shabby-Chic

Fürs Anhalten und Anschauen ist immer Zeit bei der Creme 21. Oder für einen Abstecher in die örtliche Milchbar. Gibt schließlich keine Strafsekunden bei der Creme und, nun ja, ziemlich elastische Ankunftszeiten. Die vielen Helfer machen das mit, sie halten den Laden mit einem Lächeln am Laufen und lassen sich Spiele einfallen, für die man auch im Vollbesitz einer sehr abseitigen Phantasie nicht daheim üben kann. Das Highlight vom zweiten Rallyetag dokumentiert das sehr schön: Die Golfball-Rallye ist ein slalomartiger Parcours, der bitteschön möglichst schnell zu fahren ist, aber auch so präzise, dass der Beifahrer zwischendurch drei Golfbälle auf den Spitzen dreier Lübecker Hütchen ablegen kann. Und zwar ohne Aussteigen, aus dem Seitenfenster – gulp. „Vielen Dank für die schönsten Stunts eines bewegenden Rallyetags“, kommentieren die Cremisten dazu auf ihrem Instagram-Account creme21rallye. Und: „Es gilt die Unfugsvermutung“.

Wer’s noch am Streckenrand erleben will: Am Samstag macht die Creme 21 im Volkswagen-Werk Osnabrück Station (12.00 bis 16.00 Uhr), und gegen 16.30 Uhr werden die Teilnehmer im Lenkwerk Bielefeld durchs Ziel fahren.