Nachruf Sabine Schmitz

Ende der Steilstrecke

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Irgendwann in den späten Neunzigern: Ein guter Kumpel kommt mit seinem betagten Sport-Boxer aus der Fuchsröhre, im Rückspiegel formatfüllend das BMW-Ringtaxi. Der Motorradfahrer hat eine Jahreskarte, er und das Taxi sind sich zigmal begegnet. Als er in den Adenauer Forst einlenken will, bleibt der Motor bei Vollgas hängen. Der Abflug ist unvermeidlich, endet zum Glück glimpflich auf der Wiese. Da hat das Ringtaxi längst abgebremst und den Warnblinker eingeschaltet, um Nachfolgende zu alarmieren, die Fahrerin schaut fragend mit erhobenem Daumen. Erst als er ebenfalls den Daumen hochstreckt, gibt sie dem M5 wieder die Sporen.

Die Fahrerin ist Sabine Schmitz, die damals noch Reck heißt und längst keine Unbekannte mehr ist. Sie ist am Fuß der Nürburg aufgewachsen, blickte von ihrem Kinderzimmer aus auf die Strecke und trieb schon als Fahranfängerin Mutters Auto im Touristenverkehr unzählige Runden über die Nordschleife. Nach Erfolgen bei der Rundstrecken-Challenge Nürburgring (RCN) und im Fiesta-Cup hat sie sich 1996 als erste Frau in die Listen als Gesamtsieger beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring eingetragen und den Erfolg 1997 wiederholt.

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Von der Eifel in die Welt

Irgendwann Mitte der Nullerjahre, Startaufstellung zum 24-Stunden-Rennen: Große Namen des Rennsports haben sich in der Eifel versammelt, aber die meisten Fans versammelt das Team Frikadelli mit Sabine Schmitz um sich. Im Sekundentakt gibt sie Unterschriften, scherzt im typisch rheinischen Zungenschlag mit der Menschentraube, die sie umgibt. Inzwischen trägt sie wieder ihren Mädchennamen und ist mit Klaus Abbelen liiert, mit dem sie sich auch das Cockpit des Frikadelli-Porsche teilt. Unter den Autogrammjägern sind auch viele britische Motorsport-Anhänger. Auf der Insel genießt die Nordschleife seit langem Kultstatus und die schnelle Deutsche seit ihrem legendären Auftritt 2004 in der BBC-Serie Top Gear, als sie dem auf seine 10-Minuten-Runde sichtlich stolzen Jeremy Clarkson erklärt, für diese Zeit reiche ihr ein Transporter. Kurz darauf sieht man sie im Transit über die Strecke brettern, vor sich zwecks Windschatten eine Renn-Viper, die Sabine in einigen Ecken zu langsam fährt. Zu diesem Zeitpunkt hat sie fast eine halbe Million Nordschleifen-Kilometer abgespult…

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Bestzeiten – miese Zeiten

Irgendwann Mitte 2014, ein VLN-Lauf bei typischem Eifelwetter: Sabine Schmitz hat ewig gültige Rekorde in den Nordschleifen-Asphalt gebrannt, etwa eine 7:09er Zeit bei der RCN. Dass sie und ihr Porsche 911 GT3 ganz am Ende der ersten Startgruppe stehen, war so nicht gedacht, entsprechend sauer ist die Vollblut-Racerin. Die Wut verleiht Flügel. Wie ein Berserker pflügt sie durchs Feld, lässt auf der feuchten Strecke alle anderen wie Statisten aussehen und braucht gerade mal zwei Runden, um sich an die Spitze zu setzen. Eine Kamera in Sabines Cockpit zeichnet den Husarenritt auf.


2016 geht sie das letzte Mal bei ihrem geliebten 24-Stunden-Rennen an den Start, nur wenige Monate später wird bei ihr eine Krebserkrankung diagnostiziert, die sie zunehmend zum Rückzug aus Rennsport und Öffentlichkeit zwingt. Am 16. März 2021 verliert sie diesen härtesten Zweikampf…

  • Text Dirk Ramackers
  • Fotos BMW/Ossi Kragl/Patrick Ch. Apfeld

Hochgeladenes Bild Foto: Patrick Ch. Apfeld