Vor 75 Jahren

Eine Prothese auf drei Rädern

Nach dem Zweiten Weltkrieg machte es sich Großbritanniens Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) zum Anliegen, die Kriegsversehrten des Landes rasch mobil zu machen. Zum Überwinden großer Distanzen in zersiedelten, ländlichen Regionen schien ein kompaktes Dreirad mit Einzylindermotor und GFK-Karosserie die ideale Lösung zu sein. 1948 wurde schließlich die Invacar Ltd. in Thundersley bei Southend-on-Sea in Essex gegründet. Im Auftrag des Gesundheitsministeriums wurden die von Ingenieur Bert Greeves 1946 konzipierten Invacar-Fahrzeuge in Serie (unter anderem von AC und Coventry Climax) hergestellt und an Invaliden vermietet.

Das Ministerium sah in den Kleinstwagen weniger Automobile, sondern eher Beinprothesen auf drei Rädern. Statt eines normalen Lenkrades gab es einen platzsparenden Lenkstock und ausreichend Raum hinter dem Sitz, um einen zusammenklappbaren Rollstuhl mitzuführen. Auf Motorradtechnik basierend und per Kette angetrieben, schafften die handlichen Fiberglas-Boxen mehr als 130 km/h – wenn die stärkste Motorisierung (600 Kubik, Zweizylinder-Boxer von Steyr-Puch) ausgewählt wurde. Frühe Ausführungen wurden von einem luftgekühlten Einzylinder-Zweitaktmotor von Villiers mit einem Hubraum von 147 Kubik angetrieben.

Über 50 Invacar-Varianten verschiedener Hersteller entstanden bis zum Ende der siebziger Jahre, dann wurde das Mobilitätsprogramm des NHS schrittweise eingestellt und 1981 schließlich ganz beendet. Am 31. März 2003 entzog das Verkehrsministerium dem Invacar die Betriebserlaubnis, gleichzeitig zog der Gesundheitsdienst alle noch in seinem Eigentum befindlichen rund 200 Exemplare ein, um sie zu verschrotten…