Kommentar

Drohen Fahrverbote?

Hochgeladenes Bild Der Gesetzesentwurf mag nicht auf Oldtimer gemünzt sein, die Instrumente für Fahrverbote wären jedoch jederzeit auf beliebige Gruppen anwendbar

Der Passus, der die Klassikerfraktion in Aufruhr versetzt, ist im üblichen Amts-Ductus verfasst: "Das Bundesministerium für Verkehr wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

- 1. zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,

- 2. zum Schutz
a) vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
b) ...der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder Abgasen...

- 4. für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen..."

Kürzt man alle juristischen Volten weg, steht im neuen Paragraph 6, Absatz vier: Das Bundesverkehrsministerium kann künftig ohne Kontrolle durch die Länderkammer räumlich begrenzte Fahrverbote erlassen, wenn Umweltschutz oder Anwohnerklagen dies nahelegen. Analog zum bereits existierenden Lkw-Fahrverbot kann Berlin zudem bundesweite Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuggattungen an Sonn- und Feiertagen verfügen.

Das jedenfalls befürchten Kritiker der Novelle, die sich nur vier Tage nach Verabschiedung zusammenfanden und eine Online-Petition ins Leben riefen mit dem Ziel, die Regierung zur Rücknahme von Paragraph 6 zu bewegen oder diesen um einen expliziten Bestandsschutz für ältere Fahrzeuge zu ergänzen. Binnen der ersten zwei von acht Wochen Laufzeit kamen bereits über 50.000 Unterschriften zusammen, was als Mindestforderung gilt, damit das Parlament sich erneut mit dem Thema befasst; verpflichtet ist es dazu jedoch nicht.

Kein Grund zur Panik, behaupten hingegen Regierungsvertreter. Bei der jüngsten Sitzung des Parlamentskreis Automobiles Kulturgut (PAK) beruhigten Carsten Müller und Gero Storjohann (beide CDU) die Gemüter. Rechtlich habe sich nichts geändert, betonte der PAK-Vorsitzende Müller, und Storjohann sekundierte, es seien lediglich bestehende Regelungen neu zusammengefasst und klarer formuliert worden. Auch die Rechtsabteilung des ADAC sieht keine Verschärfung.

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Das mag stimmen - oder auch nicht. Zweifel sind jedenfalls angebracht. Denn die jetzige Novelle ist eine Reaktion der Regierung auf die letztjährige Aufforderung des Bundesrates, der Politik schärfere Klingen im Kampf gegen Motorradlärm an die Hand zu geben. Die damalige Entschließung der Länderkammer trug überdeutlich die Handschrift des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann (Bündnis90/Die Grünen). Eine seiner zentralen Forderungen: leichter Fahrverbote aus Lärmschutz-, Umweltschutzgründen oder an Sonn- und Feiertagen aussprechen zu können. Das mag vordergründig auf Motorradfahrer gemünzt sein, die Instrumente wären jedoch auch jederzeit auf andere Gruppen anwendbar.

In einer kurzen Rede vor dem Plenum warb Hermann damals für die Entschließung des Bundesrates. Dabei beklagte er die geringen rechtlichen Möglichkeiten der Länder und Kommunen. Sollte die nächste Regierung grün dominiert sein und die Grünen auch das Verkehrs-Ressort für sich beanspruchen, wovon auszugehen ist, hätten sie mit dem neuen Straßenverkehrsgesetz alle Trümpfe in der Hand - und bräuchten nicht einmal die Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen, um in deren Beritt Fahrverbote zu verhängen.

Dirk Ramackers

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