Motobécane 350 L3

Bon anniversaire Motobécane!

Bei Dreizylinder-Zweitaktern denken Sie automatisch an Suzuki, Kawasaki und sonst nix? Doch, da war noch was – mit kernigen 38 PS, topmoderner Technik wie Getrenntschmierung und elektronischer Zündung, einem guten Fahrwerk und modernem Design. Sogar an einer Einspritzanlage arbeiteten die Konstrukteure! Vorhang auf für eine echte Zweitakt-Rakete!

Als die Motobécane 350 L3 – später auch unter dem Namen Motoconfort vermarktet – erstmals 1972 auf dem Pariser Motorradsalon gezeigt wurde, gab sich selbst Staatspräsident Georges Pompidou die Ehre am Messestand der Firma. Das Credo von Presse, Fachpublikum und Besuchern war eindeutig: endlich wieder ein „großes“ französisches Motorrad. Und was für eins! Der quadratisch ausgelegte, fünffach gelagerte 350-Kubik-Zweitakter mit dem prägnant vorgeschobenen mittleren Zylinder schwang sich zu über 100 PS Literleistung auf und war jeder Konkurrenz in ihrer Hubraumklasse gewachsen – und auch deutlich größeren Viertakt-Maschinen. Topspeed: rund 170 km/h.

Die Motobécane 350 war in ihrer Hubraumklasse jeder Konkurrenz gewachsen

Der Motor des Hoffnungsträgers war mit Lösungen wie hartverchromten Zylinderlaufbahnen, Getrenntschmierung und elektronischer Zündung auf der Höhe der Zeit. Die sich in Erprobung befindende Einspritzanlage, die nie die Serie erreichen sollte, wäre gar ein absolutes Novum gewesen. Sie sollte den Spritdurst des Zweitakters zähmen. Die Fertigungsqualität war so gut, dass zwischen den Gehäusehälften des horizontal geteilten Gehäuses weder Papier- noch Flüssigdichtung nötig war. Mit 165 Kilo war die Französin beinahe ein Leichtgewicht, und ihr Fahrwerk mit echtem Doppelschleifenrahmen und feinen Federelementen war anerkannt gut. Lockheed steuerte die Scheibenbremse vorne bei, Grimeca die hintere Trommel. Unterm Strich: ein feines Gesamtpaket, das dennoch nur 779-mal gebaut wurde.

Trotz aller Qualitäten: nur 779 Exemplare der 350 L3 entstanden

Woran es lag, dass die Firmenleitung dem Projekt trotz bester Anlagen schon 1975 den Stecker zog? Und dass trotz hoher Entwicklungskosten und obwohl schon eine 500 Kubik-Version und die Einspritzanlage in Prospekten angekündigt waren! Vor allem wohl, weil die Ölkrise nachhallte und ein Verbrauch von acht bis zehn Liter Sprit die Käufer schreckte. Außerdem darf bezweifelt werden, dass die Maschine selbst in hohen Stückzahlen nennenswerte Gewinne eingefahren hätte. Zu sehr hatten sich die Konstrukteure und Einkäufer austoben können…

OLDTIMER PRAXIS traf einen Motobécane-Restaurierer und berichtet in Ausgabe 7/2023 von der Französischen Revolution auf zwei Rädern.