Hängende Ventile: Die Leistung sitzt im Kopf

Hängende Ventile: Die Leistung sitzt im Kopf

Ab den Zwanzigern strebten Konstrukteure nach kugel- oder zumindest halbkugelförmigen Brennräumen und strömungsgünstigen Ein- und Auslasskanälen. Es begann die Zeit der kopfgesteuerten Motoren mit hängenden Ventilen.

Der Eifer, den die Hersteller bei der Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse an den Tag legten, fiel äußerst unterschiedlich aus. Die meisten begnügten sich mit parallel im Zylinderkopf hängenden Ventilen, die von einer untenliegenden Nockenwelle über lange Stößel und Kipphebel betätigt wurden (ohv - over head valves). Andere legten die Nockenwelle über die Ventile und betätigten diese über Schlepphebel oder Tassenstößel (ohc - over head camshaft). Sollte der Brennraum allerdings wirklich dem Ideal der Halbkugel nahe kommen, mussten die Ventile V-förmig im Zylinderkopf hängen. Das funktionierte am besten mit einer obenliegenden Nockenwelle und beidseitigen Kipphebeln oder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, die die Ventile direkt über Tassenstößel oder Schlepphebel betätigten (dohc - double over head camshaft): Die obenliegenden Nockenwellen begünstigten auch den Trend zum Querstrom-Zylinderkopf, bei dem das Frischgas auf der einen Seite einströmt, um nach dem Verbrennungsvorgang auf der anderen Seite auszutreten.

Clevere Ideen zur Ventilsteuerung

Einen wichtigen Einfluss auf die Evolution der Ventilsteuerung hatten die ständig steigenden Höchstdrehzahlen der Motoren. Je größer die Masse der Ventilsteuerungskomponenten ist, desto eher kommt es zum gefürchteten Ventilflattern, bei dem es den Ventilfedern nicht mehr gelingt, das Ventil zu schließen. Die Übertragungselemente heben dabei von der Nockenwelle ab und werden in harten Schlägen nur noch von der Nockenspitze getroffen. Eine Möglichkeit, dies bei hochdrehenden Rennmotoren zu vermeiden, ist die desmodromische Zwangssteuerung der Ventile, bei der ein Nocken für das Öffnen, ein zweiter für das Schließen des Ventils zuständig ist. Federn sind hierbei überflüssig oder übernehmen lediglich den Ventilspielausgleich. In größeren Stückzahlen wurde die Desmodromik vor allem bei Ducati eingesetzt. Das bekannteste Beispiel für einen desmodromisch gesteuerten Motor in einem Automobil dürfte der W196-Silberpfeil von Mercedes-Benz sein.
Während Sportmotorenhersteller wie Alfa Romeo, Ferrari, Jaguar oder Maserati schon bald ausschließlich auf die Ventilsteuerung mit zwei obenliegenden Nockenwellen setzten, behielten andere Firmen die Wartungsfreundlichkeit ihrer Triebwerke im Auge. Schließlich war nicht jeder Kunde bereit, den langwierigen Ausbau der Nockenwellen bei jeder großen Inspektion zu bezahlen. So lange die Drehzahlen der Triebwerke im Rahmen blieben, reichte auch die biedere ohv-Steuerung, die sich im Handumdrehen justieren lässt.
Also bemühten sich die Konstrukteure, das Ideal des halbkugelförmigen Brennraums auf andere Art zu erreichen. Beim Peugeot 203 (Bild oben) legten sie die Bohrungen für die Stoßstangen so geschickt zwischen die Zylinder, dass der 1300er mit nur einer untenliegenden Nockenwelle auskommt, obwohl die Ventile V-förmig hängen.

Gleichmäßige Flammfront gegen Klopfen

Berühmt wurde in dieser Hinsicht der Motor des BMW 328: Aus Kostengründen musste der Block des 326 (ohv) auch für den geplanten Sportwagen herhalten. Allein einen neuen Zylinderkopf bewilligten die bayrischen Kassenhüter ihrem Ingenieur Fritz Schleicher. Der setzte einen sportlichen Alu-Kopf mit halbkugelförmigen Brennräumen drauf und wagte ein abenteuerliches Nacheinander von Stoßstange, Kipphebel, zweiter Stoßstange quer über den Zylinderkopf (!) und zweitem Kipphebel bis zum Auslassventil.
Dieser Motor zeigt sehr deutlich, dass zwei weitere Faktoren ganz wesentlich von der Anordnung der Ventile abhängen: das möglichst ungehinderte Einströmen des Benzin-Luft-Gemischs und dessen Verhalten nach der Zündung. Je glattflächiger der Brennraum gestaltet ist, desto gleichmäßiger verläuft die Flammfront von der Zündkerze bis an den Rand. Gerade bei Vorkriegswagen war das enorm wichtig, denn der Treibstoff jener Tage neigte zum Klopfen - was eben durch die gleichmäßige Verbrennung vermieden wurde.
Heute ist die Sportwagen-Technologie von einst Allgemeingut geworden. Selbst Kleinwagen haben heute dohc-Motoren unter der Haube. Warum? Weil´s Spaß macht und Sprit spart!