Meilensteine

Renault Avantime: Das Van-Coupé wird 20

Hochgeladenes Bild Auch zwanzig Jahre nach Verkaufsstart ist der Avantime der einzige Vertreter der Fahrzeugklasse "Van-Coupé"

Die Aufgabe, die Renault-Designchef Patrick Le Quément Mitte der neunziger Jahre aufgetragen wurde, war keine Kleinigkeit: Zum 100-Jährigen des 1898 gegründeten Unternehmens sollte er etwas radikal Neues bringen und Renault en passant wieder dort hoffähig machen, wo der Hersteller zwischen den Kriegen gestanden hatte – im automobilen Oberhaus.

"Ich bat unsere Designer, sich von den flamboyanten Vorkriegs-Klassikern inspirieren zu lassen, die bei Karossiers wie Figoni & Falaschi, Saoutchik und Chapron entworfen worden waren, aber auch von eigenen Modellen wie dem mondänen Renault 40CV mit seiner flach geschwungenen, kühlergrillfreien Front", gewährt Le Quément Einblicke in die Entstehung des Avantime. Dessen Name sei übrigens frenglisch auszusprechen, betont sein Schöpfer, als Zusammenziehung des französischen Worts Avant (vor) und des englischen Time (Zeit).

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Pünktlich zum Hundertsten, den Renault selbstverständlich auf dem Pariser Salon feierte, präsentierte Le Quéments Team ein Concept Car namens Vel Satis (abgeleitet von Vélocité – Geschwindigkeit – und Satisfaction, also Befriedigung), das die Form des späteren Avantime weitgehend vorwegnahm. Das Heck mit der senkrechten Scheibe und dem angesetzten Kofferraum war offensichtlich an die aufregenden Grands Routiers der dreißiger Jahre angelehnt, während die Front ein leises Zitat des 40CV bildete. Von puttigem Retro-Styling freilich keine Spur: Der Coupé-Van war so radikal avantgardistisch wie selten ein Auto zuvor und sorgte weltweit für Aufsehen.

Hochgeladenes Bild Um den Einstieg auf engen Parkplätzen zu erleichtern, schwenken die langen Türen beim Öffnen nach vorn

Jener Teil der Welt, der das Auto wirklich kaufen wollte, musste sich allerdings noch länger gedulden: Im Februar 1999 schob Renault eine nun bereits Avantime genannte Studie nach, doch bis zum Serienanlauf vergingen weitere zwei Jahre, in denen Hersteller Matra an Detailproblemen wie den Parallelogramm-Türscharnieren und der Erfüllung von Crash-Normen tüftelte. Als die Produktion vor zwanzig Jahren im November 2001 endlich angelaufen war, zeigte sich allerdings rasch, dass die meisten Käufer andere Vorstellungen von der automobilen Zukunft hatten.

Hochgeladenes Bild Minimalistisches Cockpit, Panorama-Dach und keine B-Säule. Auch im Innern ist der Avantime ein Exzentriker

Der Avantime polarisiert, ganz so, wie es sich für eine avantgardistische Erfindung gehört. Er passt in keine Schublade: sieht aus wie ein Van, hat aber nur zwei ultralange Coupé- Türen, zeigt sich vorne mit fließenden Linien sportlich-aggressiv und endet in einem Bootsheck mit kurzem Bürzel und senkrechter Scheibe.

Der laut offizieller Renault-Lesart "erste Vertreter einer neuen Generation von Renault-Oberklasse-Limousinen" erscheint innen verschwenderisch geräumig und gestaltet wie eine Designer-Lounge. Er ist aber nicht wirklich praktisch mit einem zwar großvolumigen, aber stufig geformten Laderaum und zwei eher mühselig zu erklimmendenFond-Sitzen mit wenig Kopffreiheit. Hier geht Schönheit, pardon: Design, ganz offensichtlich vor Effizienz. Der Avantime ist mit seiner respektablen Motorisierung – zuvorderst ein Dreiliter-Sechszylinder mit 207 PS (Euro 3 D4) – seiner üppigen Ausstattung und einem Einstandspreis von rund 40.000 Euro zum Verkaufsstart durchaus gewichtig, aber im üblichen Sinne nicht sonderlich repräsentativ. Es sind besonders die Individualisten, die ihn um seiner innovativen Architektur willen lieben, die Kreativen, Künstler, Medienschaffenden.

Hochgeladenes Bild Irres Rückleuchtendesign und Heck mit Bürzel. Letzteres war später auch an anderen Renault-Modellen zu finden

Manches vermisst man erst, wenn es nicht mehr da ist. Kein Wunder also, dass sich schon kurz nach Produktionsende eherne Fans um den Avantime versammelten. "Viele davon besitzen kleine Sammlungen und nutzen nur noch ein Auto im Alltag", berichtet Christian Hüther, Kfz-Technikermeister und Avantime-Experte, dessen Kunden über ganz Europa verteilt sind. Welchen nehmen? Hobbyschraubern legt der Profi den durchaus kräftigen und problemlosen Vierzylinder ans Herz, in dessen Motorabteil relativ luftige Verhältnisse herrschen. Für Genießer komme freilich nur der übrigens ideal für Gasumbauten geeignete V6 in Frage, am besten in der höchsten Privilege-Ausstattung. "Modellunabhängig sollte man nur gepflegte Autos mit guter Wartungshistorie kaufen, sonst kann man den Kaufpreis gleich nochmal reinstecken." Für solche Exemplare werden längst fünfstellige Beträge aufgerufen. Dafür bekommt der Käufer nicht nur Coupé, Cabrio, Limousine und Van in Personalunion, sondern auch ein außergewöhnliches Design-Objekt.

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