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Eugen Böhringer gestorben

Eugen Böhringer, Mercedes-Benz-Werkspilot und legendärer Flossentreiber ist im Alter von 91 Jahren in Stuttgart gestorben.

Hotelier auf Abwegen

Eugen Böhringer begann seine Motorsportkarriere relativ spät. 1957 startete der damals 35jährige Hotelier erstmals bei einem Automobilrennen - der Solitude-Rallye, die vor den Toren seiner Heimatstadt Stuttgart ausgetragen wurde. Bei diesem Wettbewerb und dem Rennen im Jahr darauf „versägte" er zur allgemeinen Überraschung mit einem Alfa die gesamte Konkurrenz! Offensichtlich eine willkommene Abwechslung zum Alltag des Hotelbetreibers auf dem „Roten Berg", auf dessen steiler, gewundener Anfahrtstrecke er das schnelle Handwerk des Rallyefahrers gelernt haben soll.

Das Hotel behielt er zwar auch in der Folgezeit, mußte aber jetzt seiner Frau den Hauptteil der Arbeit aufbürden. Eugen Böhringer hatte solchen Spaß am Rennsport gefunden, daß er sein Hobby zum alles bestimmenden Nebenjob machte. Bergrennen und Zuverlässigkeitsfahrten waren ihm fortan wichtiger als Spätzleaufläufe und Krach mit dem Personal! Mindestens 200, einmal sogar 284 Tage im Jahr war er nunmehr „auf Achse". Schuld daran war das unerwartete Engagement von Mercedes-Benz am Rallyesport.

Unterwegs mit Mercedes

1960 schickten die Untertürkheimer ihren Rennleiter Karl Kling, und mehrere Teams zur „Monte" - und sorgten für eine Dreifachsensation: Walter Schock/Rolf Moll belegten den ersten, Eugen Böhringer/Hermann Socher kamen auf den zweiten und Eberhard Mahle/Roland Ott nahmen den dritten Platz ein!

Von nun an sollte Eugen Böhringer an unzähligen Rallyes und Rundstreckenrennen teilnehmen und wurde zweimal Europameister. 1961 siegte er bei der Liege - Rome - Liege- und der Akropolis-Rallye. Böhringers 220-SE-Heckflosse hatte inzwischen einen aufgebohrten 2460-ccm-Sechszylinder
erhalten, der 156 PS statt der serienmäßigen 115 PS hervorzauberte. Die „Bezahlung" war damals alles andere als fürstlich. Böhringer bekam in der Anfangszeit gerade 100 Mark Spesen pro Tag plus Sponsorgelder. Bei Übersee-Einsätzen erhöhte sich der Tagesspesensatz auf 150 Mark, dazu kamen Leistungszuschläge. 1962 war ein großes Jahr für Böhringer. Er lieferte sich bei der Monte ein hartes Duell mit Erik Carlsson, wurde schließlich Zweiter - konnte aber dafür bei der Akropolis-Rallye die Reihenfolge umkehren. Nicht nur „Carlsson on the roof", sondern auch spätere Rallyelegenden wie Rauno Aaltonen und Timo Mäkinen bekamen von dem kleinen Schwaben mit der hohen Stirn gezeigt, wie fix man ein so großes Auto bewegen kann.

Heiße Milch mit Traubenzucker und Rum

Sieger wurde Böhringer zusammen mit Werksmechaniker Hermann Eger auch bei der Polen-Rallye und der überaus harten Liege-Sofia-Liege, als diese Riesenstrecke am Stück gefahren werden mußte! Wiederum mit seinem Lieblingsauto, dem luftgefederten 300 SE, siegte er im Jahr 1963 viermal - nämlich bei der Akropolis- und der Deutschland-Rallye sowie beim Großen Straßenpreis von Argentinien. Und mit dem nagelneuen, 150 PS starken Vorserien-230 SL bei der Liege-Sofia-Liege, die er zum zweiten Mal gewann, diesmal mit Klaus Kaiser als Copilot. Eine Woche vor dem Rennen graste der Maestro persönlich mit Zelt und Spirituskocher die gesamte Strecke ab, um das „Gebetbuch" zu erstellen. Überhaupt: Essen und Trinken durften bei dem passionierten Koch und Winzer nie zu kurz kommen. Legendär wurde sein Spezialrezept gegen Übermüdung - ein Glas heiße Milch mit viel Traubenzucker und einem Löffel Rum.

Rundenrekord in Spa

Hängenbleiben gab es für ihn nicht - so schreckte er bei aller schwäbischen Sparsamkeit auch nicht davor zurück, in Jugoslawien mal 100 Mark für einen Fünfliterkanister Sprit zu bezahlen. Trotz eines Überschlags siegte er 1963 beim Gran Premio Argentina. Gleich nach dem Malheur raste er weiter, wie in Trance, ohne auf die Richtung zu achten. Nur mühsam konnte Beifahrer Kaiser sein Temperament zügeln. Auch Rundstreckenrennen wurden weiterhin absolviert, „für Rallyefahrer ein Sonntagnachmittagsvergnügen", meinte er später. Tourenwagenrennen wie die 24 Stunden von Spa-Francorchamps und am Nürburgring oder den GP für Tourenwagen in Macau bestritt er mit dem 300 SE. Pech hatte er in Spa, als er - 23,5 Stunden in Führung liegend - ausfiel. Böhringers Rundendurchschnitt lag in der schnellsten Runde bei 177,296 km/h!

Ein Einsatz für Porsche

1964 wurden Böhringer/Kaiser, wiederum auf dem 230 SL und diesmal nach dem Zusammenstoß mit einem Schaf „nur" auf dem dritten Platz, für seine dreimaligen Super-Einsätze mit dem Goldpokal der Liege-Sofia-Liege geehrt! Mercedes nahm nach einem Dreifachsieg in Argentinien (Böhringer, Glemser, Rosquist) Abschied vom Rallyesport. Böhringers Rekordschnitt von 181 km/h zwischen Pilar und Villa Carlos-Paz ging in die Rallyeannalen ein. Böhringer startete noch einmal, nämlich zur Monte 1965, auf einem von zwei teilnehmenden Porsche 904 GTS mit dem er einen hervorragenden zweiten Platz belegte.

Einen „freundlichen, liebenswerten Kumpel" hatte Rolf Moll seinen Freund und Konkurrenten genannt, während Erik Carlsson über Böhringer behauptete: „Nicht nur ein harter Gegner, sondern auch ein hervorragender Mensch."

Private Eugen Böhringer Fan-Webseite: www.eugen-boehringer.de